Physiknobelpreis 1948: Patrick Maynard Stuart Blackett

Physiknobelpreis 1948: Patrick Maynard Stuart Blackett
Physiknobelpreis 1948: Patrick Maynard Stuart Blackett
 
Der englische Physiker wurde für die Weiterentwicklung der Wilson'schen Nebelkammermethode und seine Entdeckungen im Bereich der Kernphysik und der kosmischen Strahlung geehrt.
 
 
Patrick Maynard Stuart Blackett, Baron B. of Chelsea (ab 1969), * London 18. 11. 1897, ✝London 13. 7. 1974; zunächst Marineoffizier, 1933-37 Professor für Physik am Birkback College (London), ab 1937 an der Manchester University, Arbeit an der Entwicklung des Radars und der Atombombe, 1953-65 Professor an der Universität in London, ab 1965 Präsident der Royal Society.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Dem englischen Physiker Lord Rutherford (Nobelpreis für Chemie 1908) war es 1919 gelungen, einen Stickstoffkern durch Beschuss mit Alphastrahlen aus natürlich radioaktiven Substanzen in Sauerstoff umzuwandeln. Sechs Jahre später konnte Patrick Blackett diesen Vorgang in einer Wilson-Nebelkammer fotografieren. Er war der erste Mensch, der die Verwandlung eines Elements fotografisch festgehalten und damit sichtbar gemacht hat. Was Alchemisten über Jahrhunderte versucht haben, die so genannte Transmutation der Elemente, war nun dokumentiert worden. Blacketts exakte Messungen bewiesen, dass die physikalischen Grundgesetze der Erhaltung von Impuls und Energie auch bei der Kollision von Atomkernen gültig bleiben. Das Energieäquivalent der Masse, das die Relativitätstheorie vorgab, stimmte ebenfalls mit den experimentellen Ergebnissen überein.
 
 Im goldenen Jahr der Physik
 
Das Jahr 1932 ist als goldenes Jahr der Physik in die Geschichte eingegangen. Als erstes wurde das Neutron entdeckt. Experimenteller Ausgangspunkt waren die Arbeiten von Walter Wilhelm Georg Bothe (Nobelpreis 1954) und Richard Becker in Berlin. Sie hatten 1930 leichte Elemente mit energiereichen Alphateilchen beschossen und beobachteten eine durchdringende Strahlung, die sie fälschlicherweise als Gammastrahlung deuteten. Ein Jahr später untersuchte das französische Ehepaar Irène Joliot-Curie und Jean Frédéric Joliot (gemeinsam Nobelpreis für Chemie 1935) den Vorgang genauer. Sie stellten fest, dass die Strahlen beim Durchgang durch Paraffin schnelle Protonen herauslösen. Im Januar 1932 erfuhr der englische Physiker James Chadwick (Nobelpreis 1935) davon, wiederholte das Experiment und entdeckte dabei ein neues ungeladenes Teilchen, dass er Neutron nannte.
 
Mit dieser Entdeckung ergab sich ein neues Konzept des Kernaufbaus, das bald darauf Werner Heisenberg (Nobelpreis 1932) und der russische Physiker Dmitrij Iwanenko unabhängig voneinander entwickelten. Danach bestand der Atomkern aus Protonen und Neutronen, ohne Beteiligung der Elektronen. Das elektromagnetische Konzept der Kernbindung von negativ und positiv geladenen Teilchen war damit nahezu widerlegt.
 
Eine weitere grundlegende Entdeckung war die des positiven Elektrons oder Positrons. Victor Franz Hess (Nobelpreis 1936) und Werner Kohlhörster hatten zwischen 1910 und 1914 die kosmische Strahlung entdeckt und untersucht. 1929 gelang es dem russischen Physiker Dmitrij Skobelzyn in Leningrad, die Strahlung in der Nebelkammer nachzuweisen. Die Amerikanischen Physiker Carl David Anderson (Nobelpreis 1936) und Seth Henry Neddermeyer wiesen darauf hin, dass sich unter den Teilchen der Höhenstrahlung positiv geladene Elektronen befinden mussten.
 
Das bestätigte die von dem englischen Theoretiker Paul Adrian Maurice Dirac (Nobelpreis 1933) in seinen damals rätselhaften mathematischen Gleichungen ausgesprochene Vermutung, dass so genannte Löcher als positive Elektronen existieren sollten. Diese nie gesehenen seltsamen Teilchen nannte er Positronen. Während das gewöhnliche Elektron von einem negativ geladenen Körper abgestoßen wird, musste das neue Teilchen von ihm angezogen werden. Wenn das eine im Magnetfeld nach einer Seite abgelenkt wird, so muss das »neue« nach der anderen Seite abweichen. Dirac behauptete, dass seine Positronen so real seien wie die Elektronen und genau die gleichen Eigenschaften besäßen, nur eben positiv geladen seien.
 
Diracs Vorstellung war vielen Physikern unangenehm. Denn er behauptete, dass alle Teilchen paarweise in der Natur existierten und dass es zu jedem geladenen Teilchen ein Antiteilchen geben solle. Als dann Anderson zum ersten Mal die Spur eines positiv geladenen Elektrons in seiner Wilson-Kammer sah, war das eine physikalische Sensation. Doch es schien frei im Raum zu existieren. Eine Paarbildung konnte er nicht beobachten.
 
 Die Strahlung fotografiert sich selbst
 
Die definitive Bestätigung für Diracs Behauptung lieferte Patrick Blackett. Er hatte zusammen mit seinem italienischen Mitarbeiter Giuseppe Stanislavo Paolo Occhialini in Cambridge in einer Nebelkammer von kosmischer Strahlung ausgelöste Teilchenschauer beobachtet, die die theoretischen Annahmen bewiesen. Es musste sich um die Prozesse der Erzeugung und Vernichtung von Positron-Elektron-Paaren handeln. Für ihre Beobachtung hatten sie über und unter die Wilson-Nebelkammer Geiger-Zählrohre angebracht und mit einem schnellen elektrischen Schalter verbunden, der den Kolbenmechanismus zur Volumenausdehnung der Kammer auslöst. Flog ein Teilchen der kosmischen Strahlung durch beide Zählrohre, kam es auch durch die Kammer. Das gleichzeitige Ansprechen der Zählrohre löste automatisch die Luftexpansion in der Kammer, die Beleuchtung der Nebelbahn und die fotografische Aufnahme aus. Die kosmischen Strahlen fotografierten sich selbst.
 
Die Blackett'sche Weiterentwicklung machte die Nebelkammer des schottischen Meteorologen Charles Wilson (Nobelpreis 1927) wirklich sehend. Bis dahin zeigte nur etwa jedes zwanzigste Zufallsfoto die Spur eines Teilchens der kosmischen Strahlung. Blacketts Kammer wurde ein sehr wichtiges Werkzeug zur Erforschung dieser rätselhaften Strahlung. Blackett und Occhialini analysierten ebenfalls die Strahlen aus dem Kosmos. Gleich mit den ersten Versuchen gelang ihnen der wichtige Nachweis des Positrons. Trifft ein Quant von mindestens 1,022 Megaelektronenvolt (MeV) auf das elektrische Feld eines Atomkerns, wird es vernichtet und in ein Elektron und dessen Antimateriegegenstück, das Positron verwandelt. Dabei entspricht die Energie (E) von 1,022 MeV nach Einsteins Gleichung E = m · c2 dem Produkt der Summe der Massen (m) von Elektron und Positron und dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit.
 
Der Beweis, dass die Spur in der Kammer von einem Positron stammte, bestand in der Beobachtung, dass Elektron und Positron im Magnetfeld der Nebelkammer in entgegengesetzte Richtungen abgelenkt wurden. Da außerdem die Spuren gleich dicht waren, musste es sich um ein Elektron und sein Gegenstück handeln. Ein frei werdendes Positron vereinigt sich sofort wieder mit einem Elektron und zerstrahlt in zwei Gammaquanten. Diese so genannte Vernichtungsstrahlung konnten wenig später die Joliot-Curies gemeinsam mit Jean Thibaut nachweisen. Mit den Arbeiten von Blackett ist die Suche nach Antimaterie wesentlich inspiriert worden.
 
U. Schulte

Universal-Lexikon. 2012.

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